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Vorlesetag 2021

Stille Helden als Lebensretter

Vorlesetag am Willi-Graf-Gymnasium

von Caroline Spallek

Am 19.11.2021 besuchten Frau und Herr Michalski das Willi-Graf-Gymnasium. Sarah Friedrich von der Stiftung „Denkmal für die ermordeten Juden Europas“ begleitete das Ehepaar. Sie sprachen mit den Schülerinnen und Schülern der Literaturklassen über die Judenverfolgung, den Zweiten Weltkrieg, den Nationalsozialismus und Franz Michalskis Autobiografie. Franz Michalski und seine Ehefrau Petra besuchten das Willi-Graf-Gymnasium, um den Schülerinnen und Schülern aus der eigenen Erfahrung zu berichten und einen Einblick in ihre damaligen Lebensumstände zu ermöglichen.

Franz‘ Mutter Lilli war Jüdin, bevor sie zum Katholizismus konvertierte. Sein Vater hieß Herbert und war Katholik. Franz Michalski, dessen Mutter aus einer jüdischen Familie stammte, wurde 1932 geboren. Franz hatte einen jüngeren Bruder, Peter. Seine Familie wurde während der Zeit des Nationalsozialismus beschimpft, bespuckt und benachteiligt. Die Familie erlebte die Zeit des Nationalsozialismus leidvoll am eigenen Leibe. Ein befreundeter Polizist verzögerte absichtlich die Deportation der Familie und informierte sie darüber. Gewarnt entgingen sie so dem Konzentrationslager. Die Familie musste sich verstecken und sogar bei Freunden untertauchen, wo sie unter schlechten Bedingungen lebten. Die Schülerinnen und Schüler reagierten bestürzt und nahmen an dem Schicksal der Familie Anteil.

Das Ehepaar nimmt an den Vorlesetagen teil, um die Erinnerung an diese schlimme und schwere Zeit am Leben zu erhalten. Die Zeitzeugen wollen, dass das Geschehene nicht vergessen wird und haben immer noch Kontakt zu den Familien, die Franz und seine Familie unterstützt und beschützt haben.An diese Menschen, die er „Stille Helden“ nennt, möchte Michalski erinnern. Sie setzten ihr Leben aufs Spiel, um seiner Familie zu helfen. Einige wollten einfach Gutes tun, andere gegen die Nazis kämpfen und Leben retten. Ohne deren Hilfe hätten sie nicht überlebt.

Wer Genaueres wissen möchte, dem sei Franz Michalskis Autobiografie „Als die Gestapo an der Haustür klingelte. Eine Familie in ‚Mischehe‘ und ihre Helfer“ von 2013, erschienen im Metropol Verlag, empfohlen.

Seite 89 der Autobiographie von Franz Michalski

 

 

Kommentar zum Zeitzeugenbericht

Von Anna Cramer von Clausbruch

Am 19.11.21 kamen Franz und Petra Michalski in die Aula des Willi-Graf-Gymnasiums. Franz ist ein Zeitzeuge der NS-Zeit, welcher zusammen mit seiner Frau mit der „Stiftung Denkmal für die ermordeten Juden Europas“ zusammenarbeitet. Er und seine Frau besuchen Schulen und erzählen dort seine Geschichte.

Um 10:00 Uhr begann die Erzählung mit einer Rede unseres Schulleiters, Herrn Steinke, und einer kurzen Einführung durch Sarah Friedrich von der Stiftung für die ermordeten Juden Europas, die die Zeitzeugengespräche organisiert und begleitet. Dann fingen die beiden Michalskis damit an, uns einige Fotos von Personen zu zeigen, die in der Geschichte von Franz eine wichtige Rolle spielten. So bekamen wir bereits am Anfang ein Bild der verschiedenen Hauptpersonen seiner Lebensgeschichte. Danach begann Petra, die Geschichte von Franz zu erzählen. Franz konnte die Geschichte nicht selbst erzählen, da er vor kurzem einen Schlaganfall erlitten hatte, deswegen half er nur Petra und verbesserte sie, wenn sie etwas falsch sagte.

Die Geschichte begann mit dem Jahr 1933, als Lilli Brann und Herbert Michalski, die Eltern von Franz, heiraten wollten. Lilli war Jüdin, aber nahm die christliche Religion ihres Mannes an. Lilli bekam einen Sohn, Franz. Wegen ihm stellten sie auch ein Kindermädchen namens Erna Scharf ein. Sie sollte noch eine wichtige Rolle in ihren Leben spielen. Franz Eltern besaßen einen kleinen Kontor in Breslau, der u.a. Artikel der Firma Schwarzkopf vertrieb. 1938 merkte die Firma, dass ihr Laden nicht gut lief und beschuldigten dafür Lilli. Sie solle die Kunden verscheucht haben, da unter den Nationalsozialisten alle Juden, die ihre Religion gewechselt hatten, nun wieder als Juden galten. Letztendlich wurden sie von der Firma aus dem Laden gedrängt. Franz kam in einen Kindergarten und fing an Klavier zu spielen. Doch als seine Klavierlehrerin ihm eine Hitlerhymne beibrachte, wollte seine Mutter nicht, dass er das fortsetzte. Um 1940 schaffte sich Lilli einen Hund an, da sie Angst hatte alleine auf die Straße zu gehen. Doch ein Jahr später wurden alle Haustiere für Juden verboten.

Als ihr Großvater sich 1943 das Leben nahm, weil er deportiert werden sollte, fürchteten sie um ihr eigenes Leben. Nach einer Warnung eines Freundes namens Alfons Thienelt, der bei der Polizei die Judenkartei verwaltete, flohen sie nach Berlin und versteckten sich dort.

Als ihr Freund ihnen nicht mehr helfen konnte flohen sie mit Hilfe von Gerda Mez, einer Kollegin des Vaters, in ein sicheres Versteck. Weil es dort nicht genug zu Essen gab, bekamen sie Hilfe von Erna, die sie auf dem Bauernhof der Familie Scharf versteckte. Nachdem es auch dort nicht mehr sicher war, flohen Sie nach Tetschen, im jetzigen Norden Tschechiens nahe der Grenze zu Sachsen gelegen, in das Hotel „Zur Post“ des Hoteliers Horst Schneider. Dort lebten sie beengt in dem Hotelzimmer von Gerda. Doch als Herbert in Prag Schwierigkeiten mit der Gestapo bekam und sich gerade noch so herausreden konnte, flohen sie in ein anderes Hotel nach Herrnskretschen, einer Gemeinde im heutigen Tschechien. Nachdem sie hörten, dass Berlin zum Kriegsende 1945 aufgeteilt werden sollte, zogen sie zurück nach Berlin um.

Diese Geschichte war an manchen Stellen sehr traurig und berührte mich zutiefst.

Ich finde es gut, dass die beiden die Geschichte von Franz zusammen erzählen. Sie zeigen nicht nur den Jugendlichen, wie schlimm es damals war, sondern sie ehren damit auch die Stillen Helden, die der Familie geholfen haben. Obwohl Franz vor kurzem einen Schlaganfall hatte, lässt er es sich nicht nehmen, trotzdem dabei zu sein, um weiterhin als überlebender Zeitzeuge seine eigene Geschichte zu repräsentieren. Mir hat die Präsentation sehr viel Spaß gemacht und ich konnte vieles dazulernen.

Beim Vorlesetag:

Franz und Petra Michalski mit ihren Fotos

Bild: Alessandro Folino

Die Klasse 8b bedankt sich im Namen des Willi-Graf-Gymnasiums.

Bild: Annea Kurzbach

Auf den Fotos abgebildet sind:

erste Reihe v.l.n.r.: Franz‘ Großvater Bertold Brann, Lilli Michalski geb. Brann, Lillis Postausweis, Herbert Michalski, Franz und seine Mutter Lilli, Lilli und Franz mit Erna.

zweite Reihe v.l.n.r.: Lilli Michalski mit Sohn Peter, Herbert Michalski mit seinen Söhnen, Erna Scharf, Familie Scharf, Gerda Mez, Gerda Mez und ihre Schwester Luzie

untere Reihe v.l.n.r.: (nicht erkennbar), Schloss Poppendorf in der Steiermark, Firma Schwarzkopf in Berlin-Tempelhof

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